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für Familien mit verhaltensauffälligen Kindern
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Verhaltenstraining
Dr. Johannes Streif

 

 

 

 




 


 

 

Als Niklas ins Heim kam, war er zehn Jahre alt. Er war klein, aber kräftig, charmant und von gewinnendem Äußerem, stets unruhig, oft wild und von einer extremen, aber sehr kontrollierten Aggressivität. In den Tests der Psychologen wurde er für überdurchschnittlich begabt befunden, allerdings wenig frustrationstolerant und zumeist ostentativ gelangweilt. Er verfügte über ein für sein Alter weit fortgeschrittenes Gespür für soziale Kontexte, gebrauchte die Informationen jedoch nur zu destruktiven Aktionen. Es dauerte keine vier Wochen, bis er die Erzieher des Heimes polarisiert hatte, einige für sich eingenommen, andere sich zu ehrvollen Feinden gemacht. Die Schnittstelle zeichnete frühere Brüche des Personals nach: Hierarchiekonflikte, Alter und die bisherigen Jahre in der Institution, Parteilichkeiten gegenüber anderen Heimkindern und private Probleme der Mitarbeiter. Bei den anderen Kindern war Niklas umstritten. Er löste in jedem von ihnen ambivalente Gefühle aus: Achtung und Angst, Zuneigung und Hilflosigkeit, Ablehnung seiner Dominanz und zugleich Respekt vor der Sicherheit seiner kreativen Abgrenzungen.

 

Niklas Mutter war zu diesem Zeitpunkt 37, geschieden und alleinerziehend. Sie kam aus der gehobenen Mittelschicht und arbeitete als Pharmazeutin in einer Großstadtapotheke. Sie hatte mit 23 einen damaligen Rechtsreferendar geheiratet, den Sohn einer Familie aus der Bekanntschaft ihrer Eltern. Mit 25, gerade zwei Monate nach ihrem Examen, bekam sie ihr erstes Kind: Martin. Zu dieser Zeit war ihr Mann als Rechtsanwalt in die Sozietät seines Vaters eingetreten. Die Familie bezog eine große Wohnung in der Stadt und war viel- und gerngesehener Gast bei gesellschaftlichen Ereignissen. Zwei Jahre später kam ihr zweiter Sohn Niklas. Obwohl die Schwangerschaft dieses Mal nicht durch die Anspannung der Examensvorbereitung gezeichnet war, erschien sie ihr anstrengender und schmerzhafter. Niklas war in ihrem Bauch ein unruhiges Kind, doch kam er schließlich nach genau neun Monaten und völlig komplikationslos zur Welt. Sie musste ihn früh abstillen, da er die Nahrung verweigerte; das Problem legte sich nach wenigen Monaten. Bis zum Alter von sechs oder sieben Jahren verlief das Familienleben nun vordergründig ohne Zwischenfälle.

 

 

 

Die Anwaltssozietät ihres Schwiegervaters war in den siebziger und frühen achtziger Jahren zu einer großen Praxis angewachsen. Wirtschaftlich bestand für ihn keine Notwendigkeit mehr, täglich den Amtsgeschäften nachzugehen. Sein Sohn übernahm daher als designierter Nachfolger zunehmend Leitungsfunktionen, ohne allerdings rechtlich in die Führung einzutreten. Dennoch beanspruchte die Arbeit mehr und mehr Zeit, wobei Kontakt und permanente Rücksprache die junge Familie stark an seine Eltern band. Niklas Mutter empfand die entstandene Enge als einschränkend und forderte ihren Mann zu mehr Distanz, Eigenständigkeit und einem sichtbareren Bekenntnis zur eigenen Familie auf. Sie fühlte sich mit der Erziehung der Kinder alleingelassen, obschon sie ihr offenkundig keine Schwierigkeiten bereitete und ihr mütterlicher Rat in zahlreichen Engagements rund um Kindergarten und Schule geschätzt wurde. Das berufliche Avancement und die Reputation ihres Mannes ließen in ihr den Wunsch aufkeimen, endlich im eigenen Fach tätig zu werden. Aufgrund ihrer sozialen Stellung und weil sie kompensatorisch viele nichtberufliche Verpflichtungen eingegangen war, ließ sie diesen Wunsch lange nicht gelten.

 

 

Martin war ein eher ruhiges, bedächtiges, gelegentlich fast behäbiges Kind. Er stellte wenig Forderungen an seine Umwelt, konnte sich in Gruppen Gleichaltriger leicht integrieren und darüber hinaus auch stundenlang alleine beschäftigen. Niklas dagegen war schwer einzuschätzen: Einerseits zeigte er oft eine Neigung zum Rückzug, die zumindest äußerlich der Selbstgenügsamkeit des Bruders entsprach; andererseits forderte er dann überraschend Aufmerksamkeit, unmittelbare Reaktion auf sein Verhalten und Zuwendung ein. Zunächst wehrte sich seine Mutter gegen diesen Anspruch auf Verfügbarkeit kaum, zumal - als Martin noch nicht in die Schule ging - ihre repräsentativen Aufgaben geringer waren und Niklas als ein kleines Kind galt, dem solches Verhalten zugebilligt wurde. Dann aber wurde sie Elternbeiratsvorsitzende in Martins Schule, arbeitete für einen Wohltätigkeitsfond, den die Kanzlei ihres Schwiegervaters unterstützte, und musste für die fortschreitende Karriere des Mannes häufiger die standesgemäße Begleiterin bei Abendgesellschaften geben. Die zunehmenden Abweisungen schienen Niklas zu kränken, denn bald fand er sich auch durch Zuwendung nicht mehr leicht zur Kooperation bereit. 

Dies war umso schwieriger, als er den häufig anwesenden Babysittern immer wieder kleine Aufstände bereitete und auch seine Großeltern die gelegentlichen Betreuungsbesuche nicht wirklich schätzten. Niklas Zuneigung schien aus Enttäuschung über die Mutter auf den Vater überzugehen. Er sehnte sich nach dessen spätabendlicher Heimkehr und zeigte sich nach einem trotzig durchlebten Tag ihm gegenüber aufgeschlossen, ruhig und fast ängstlich um ein paar gemeinsame Minuten bemüht. Fand der Vater an Wochenenden einige Stunden Zeit, mit seinen Kindern zu spielen, forderte Niklas beständig seine Aufmerksamkeit. Das Interesse des Vaters galt allen Arten von technischem Spielzeug. Martin, zwei Jahre älter als Niklas und von behutsamer Langsamkeit, erwies sich bei seinen Konstruktionen als äußerst geschickt. Niklas Gebilde hingegen waren von großen Entwürfen, konventionslosen Vorstellungen und wilden Realisationen geprägt. Für die mangelnde Einsicht des Kindes in das technisch Mögliche und Alltagstaugliche hatte der Vater wenig Verständnis. Er kehrte als vernünftiger Erwachsener mit Martin in die Kinderzeit zurück, erlaubte sich das Spiel ohne Preisgabe seiner reifen Einsichten. Niklas schaute den beiden zunächst bewusst interessiert, dann erregt durch die Ausgrenzung und eifersüchtig-enttäuscht zu. Schließlich zog er sich in sein Zimmer zurück und zeigte keine Bestrebungen mehr, mit dem Vater spielen zu wollen. Er lehnte sich nie gegen ihn auf und schien doch nicht mehr auf ihn zu zählen.

 

Mit Niklas erstem Schuljahr wurden die Probleme aus dem engen Familienrahmen hinausgetragen, - sie wurden für Außenstehende manifest.
 

 

Die Mutter konnte ihre widersprüchlichen Gefühle Niklas, seinem Verhalten und seinen Perspektiven gegenüber nicht mehr im dunklen Begriff des 'schwierigen Kindes' zusammenfassen und ablegen. Ihr jüngerer Sohn war begabt, er lernte leicht, konnte und wusste mehr, als zu verlangen war. Allerdings brachte er sich in die Gruppe nicht ein. Er kontrollierte seine Beziehung zu Lehrern und Mitschülern willkürlich mit einem raschen Wechsel von Teilnahme und Rückzug, impulsiven Beiträgen und totaler Verweigerung. Durch Martin seit zwei Jahren bereits in offizieller Funktion auf Elternseite an der Schulleitung beteiligt, erlebte sie Niklas Probleme als persönlichen Konflikt: Wie konnte sie die pädagogischen Interessen der Eltern vertreten, wenn ihre eigene Pädagogik sichtlich zu scheitern drohte? Dabei hatte sie diese Aufgabe wie alle anderen Ämter ihres sozialen Engagements aus einer gesellschaftlichen Position heraus übernommen, deren Vertreter angetreten waren, ihre bürgerliche Wohlstandsethik in der Familienideologie zu konkretisieren. Jetzt, nachdem sie ihre Erziehung, die von den Eltern mitbeförderterte eheliche Verbindung, ihre familiären Beschränkungen und die Flucht ins standesüblich Soziale zur Herzensangelegenheit gemacht hatte, begann die erarbeitete Alternative blass zu werden. Aber war es denn wirklich nur eine Alternative? Sie liebte ihren Mann, die Kinder, ihr Engagement, ja ihr ganzes Leben doch tatsächlich. Sie hatte allen Grund, dankbar zu sein. Und wäre eine andere Entwicklung überhaupt denkbar gewesen? Sie war Akademikerin, konnte wirtschaftlich für sich selbst sorgen, doch hatte sie nie gearbeitet. Ihre Freunde und Bekannten waren Freunde und Bekannte ihres Mannes. Ihre gesellschaftliche Stellung, die sie zweifellos genoss, entsprach der Stellung ihres Mannes. Selbst ihre Perspektiven waren die Perspektiven ihres Mannes geworden, denn sie hatte bislang nicht einen Gedanken darauf verwendet, sich ohne ihn zu denken. Ihn auszunehmen bedeutete, die eigene Geschichte vollkommen umzuschreiben, die Kinder zu isolieren, das bisherige soziale Leben aufgrund der Kinder aufzugeben, die Freunde und Bekannten zurücklassen, auf alles zu verzichten, was an der Reputation des Mannes partizipierte. Dieses Leben war ihr einziges Leben, so wie es war, ihre Identität. Wie konnte es geschehen, dass ein verhältnismäßig kleines und übliches Problem, nämlich die Schulschwierigkeiten ihres jüngeren Sohnes, ihre Welt - oder zumindest ihre Vorstellung davon - an den Abgrund ihrer Zweifel brachte?

 

Durch ihre persönlichen Kontakte zu Niklas Lehrern konnte seine Mutter erreichen, dass diese sein eigentümliches Verhalten hinnahmen, solange es den Unterricht nicht massiv störte. Dennoch konsultierte sie mit ihm eine psychologische Beratungsstelle, deren Ratschläge in zwei Richtungen wiesen: Zum einen eine psychiatrische Evaluation Niklas, was der Vater als unnötig ablehnte; zum anderen eine Erziehungsberatung, die allerdings die ganze Familie miteinschließen sollte. Für sie hatte der Vater keine Zeit.
 

Überhaupt konnte er die ihm zugetragenen Probleme nicht nachvollziehen, verhielt sich Niklas ihm gegenüber doch stets zurückhaltend und äußerst beherrscht. Die Großeltern, seine Eltern zumal, hatten zwar Niklas trotzige Ausbrüche und Unzugänglichkeit erlebt, sahen den Grund aber im nachlässigen Erziehungsverhalten der Mutter. Vielleicht hatten sie recht? Sie versuchte, sinnvolle Forderungen an Niklas rigider durchzusetzen, nach Erklärungen nicht auf Gehorsam zu verzichten, doch fand sie nicht Mut noch Zeit, ihn und sich durch die langen Kämpfe zu verletzen. Außerdem: Bei Martin schien die gleiche Erziehung gute Ergebnisse zu zeitigen. Und viele Veranstaltungen mit Familien bewiesen ihr, dass sie sehr wohl Kraft und Autorität hatte, mit Kindern angemessen umzugehen. Niklas war anders.

 

 

In der dritten Klasse kam es zum offenen Konflikt. Martin hatte aufs Gymnasium übergewechselt und seine Mutter ihr Amt im Elternbereit der Grundschule niedergelegt. Auf Niklas wollte sie kein repräsentatives Engagement in der Schule gründen, weil sie fürchtete, sich für ihn und sein Verhalten rechtfertigen zu müssen. Lehrer und Direktion rieten ihr, Niklas aus der Klasse zu nehmen und auf einer Schule für auffällige Kinder anzumelden. Sie wusste, dass hinter der vorsichtigen Bitte der Druck einiger Eltern stand. Sie war bereit, nachzugeben. Mein Sohn soll auf eine Sonderschule?! Ihr Mann reagierte empört und argumentierte auf der juristischen Ebene gegen die Umschulungsnotwendigkeit. Als sie eine dieser Erziehungs- schulen in der Nähe besuchte und die Kinder sah, distanzierte sie sich und Niklas mit einem inneren Aufschrei: So gestört ist mein Kind nicht! Zuhause nahm sie ihren Sohn in den Arm, schloss die Augen und hielt ihn lange fest, als könnte sie danach aus einem bösen Traum erwachen. An diesem Abend rastete Niklas das erste Mal aus, verwüstete sein Kinderzimmer und konnte sich die halbe Nacht nicht beruhigen. Seine Mutter fuhr mit der Hand durch sein Haar, wie er weinend in seinem Bett lag. Der Vater saß am Bettrand und redete auf ihn ein. Niklas reagierte nicht. Zehn, fünfzehn Minuten waren eine Geduldsleistung für den abgearbeiteten Vater. Sein Blick wanderte müde, enttäuscht, gedemütigt, ärgerlich über die teuren Geschenke der letzten Jahre, die zerstört am Boden lagen. Dann verlangte er von Niklas, dass er aufhörte zu weinen; dass alles gut sei, doch so etwas nie wieder vorkommen dürfte; dass er einsah, dass es so nicht weitergehen könnte; dass er ihn ansah, damit der Vater wusste, ob er verstanden hatte; dass jetzt andere Zeiten kommen würden, im guten wie im schlechten; dass der Vater sich solches Verhalten nicht länger würde gefallen lassen; dass das Gleiche für die Mutter gelte; dass er endlich aufhörte, zu weinen. Als der Vater Niklas schlagen wollte, was er nie zuvor getan hatte, wusste die Mutter, dass sie sich scheiden lassen würde.

 

 

Die ausdrücklich gewordene Scheidungsabsicht entwertete das bisherige Leben schlagartig. Die Vorwürfe wegen der Abhängigkeit ihres Mannes von seinen Eltern, das Gefühl des Alleingelassenseins mit der Familie, das Scheitern in Niklas Erziehung, die nun reflektierte Flucht in das vielfältige soziale Engagement, alles summierte sich zu einer großen Selbstanklage. Dazu das Unverständnis des Mannes, der Wechsel von Beschwichtigung und Verdächtigung, von Bitte um Neuanfang und dem Aufwerfen unüberbrückbarer Gegensätze. Hatten beide nicht zuvor bereits Grund zur Scheidung, - nach Monaten des ausgesprochenen Scheidungswunsches waren Gründe genug geschaffen. Ihr Mann drohte, mit jedem ihm zur Verfügung stehenden Mittel um sein Sorgerecht zu kämpfen. Einen Augenblick hatte sie Angst, alles zu verlieren. Doch er sah ein, dass er für die Kinder keine Zeit hatte, und Niklas konnte er nicht wollen. Seinen Wunsch, ohne Scheidung auseinander zu gehen, lehnte sie ab. So kam es zu einer geräuschlosen Trennung. Über Freunde vermittelte er ihr eine Stelle als Apothekerin.

 

Martin ertrug die Scheidung mit stoischer Ruhe. In allem, was einem Kind entsprach, unterstützte er seine Mutter, doch er machte niemandem Vorwürfe und stellte keine Fragen. Er war sehr selbständig, forderte keine Hilfe und zeigte kein Bedürfnis, sich anderen mitzuteilen. 
 

Niklas hingegen reagierte auf die Veränderungen mit der ganzen unbeherrschten Ambivalenz seiner Gefühle. Die neue Wohnung, der neue Umgang und schließlich auch die neue Schule faszinierten ihn, zogen ihn an, ängstigten ihn, provozierten seinen Widerstand. Mal war er über Tage und Wochen ruhig und zugänglich, dass die Mutter sich fragte, wie sein Verhalten die Veränderungen herausgefordert haben konnte. Sobald sie sich mit dem Vergessen anfreundete, ihre Geschichte in ihrem Kopf umzuschreiben begann, rastete er wieder aus. Sie fand keine Vorzeichen für diese Momente, so sehr sie ihn auch beobachtete. Sich selber konnte sie nicht ansehen. Niklas Ganztagsschule erlaubte ihr zeitlich die Arbeit, und finanziell versorgten sie Mann und Eltern längst ausreichend. Die Angst vor den schlechten Tagen und Nächten aber, in denen Niklas Einsamkeit, Verzweiflung und Wut sich ins Unerträgliche steigerten und in ihr und der Wohnung schließlich Chaos hinterließen, fraß sie langsam auf.

 

 

Auch ihr Verhältnis zu Martin änderte sich, da sie sich fast ausschließlich um Niklas Belange kümmern musste. Obwohl Martin sich nie auf Konflikte einließ, entfremdeten die Brüder sich. Wie sehr Niklas an seinem gequälten Bruder hing, wurde erst spürbar, als dieser sich zumindest innerlich von ihm abwandte. Wie er den Vater nicht mehr sehen wollte, so drohte Niklas auch diese Verbindung vollkommen zu zerstören, sobald sie seiner Kontrolle entglitt. Nachdem die Scheidung formal vollzogen war, ließ seine Mutter ihn psychiatrisch untersuchen und kontaktierte das Jugendamt. Um die Familie zu retten, glaubte sie, sie jetzt auflösen zu müssen. Vier Monate später war Niklas im Heim. Aggressive Verhaltensstörung, Impulskontrollstörung, Dissozialität, Störung der Mutter-Kind-Beziehung, Hyperkinetisches Syndrom mit Aufmerksamkeitsstörung, depressive Züge und fast autistoide Rückzugs- und Selbststimulationstendenzen. So sehr sich seine Mutter auch einredete, dass all diese Vokabeln nichts mit ihr, ihrem Erziehungsstil, ihren Absichten, ihren Kompetenzen, ihrer Geschichte und ihren Lebensentwürfen zu tun hatten, - sie wurde das Gefühl nicht los, verloren zu haben. Mehr noch: Sie gab sich die Schuld. Sie rechnete die Ressourcen ihrer Bürgerlichkeit gegen ihre Abweichung von der Ideologie auf. Wo sie gezögert hatte, entdeckte sie rückblickend Handlungsaufforderungen. Wo sie sich entschieden hatte, sah sie von der Entscheidung nur Wege in den Abgrund, die zerstörte Familienidylle, die Pathologie des Kindes, die Diskreditierung durch das Heim und die eigene Verzweiflung. Und wenn sie nach der Arbeit in ihre aufgeräumte Wohnung zurückkehrte und Martin das Abendessen bereits gerichtet hatte, war der Schmerz übergroß, mit dem sie sich nach Niklas unbeherrschter Gegenwart sehnte. Seinen Impulsen wollte sie sich unterwerfen, um ihrer eigenen Freiheit, dem vernichtenden Gefühl der Verantwortung zu entkommen. Wenn sie in den ersten Wochen und Monaten ohne Niklas weinte und Martin seinen Arm tröstend um sie schlang, wusste sie, dass sie auch ihm Unrecht tat. Sein Verständnis machte sie wieder zu dem Kind, das sie sein wollte und nicht mehr sein durfte. Dafür verurteilte sie sich wieder und wieder.

 

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